Identifikation (kurz)
Titel
Erzstift Bremen - Akten
Laufzeit
1350-1669
Bestandsdaten
Kurzbeschreibung
Pertinenzbestand, umfasst v.a. die Akten der Registraturen des Bremer Domkapitels und der Verwaltung des Bremer Erzbischofs zwischen 1350-1648
Findmittel: Maschinenschriftliches Archivfindbuch 1945 (2 Bde. mit alter Signaturzählung nach Fächern); stark überarbeitetes EDV-Findbuch
Umfang: 46 lfdm
Beschreibung
Rep. 5b umfasst als Pertinenzbestand die Überlieferung verschiedener Bestandsbildner, vornehmlich aber jene des Bremer Erzbischofs und des Bremer Domkapitels. Hinzu kommen in geringerem Maße Unterlagen aus der (erzbischöflichen) Bremer Stadtvogtei, der sachsen-lauenburgischen Kanzlei, der Stadt Bremen und des Bistums Münster sowie aus verschiedenen Ämtern (z.B. Thedinghausen, Hagen). Die Provenienz der Akten wurde vielfach rekonstruiert und ist jeweils in dem Feld "Vorprovenienz" nachvollziehbar. Zum Kirchenwesen ist aus erzbischöflicher Provenienz kaum etwas überliefert, sämtliche Kirchenüberlieferung entstammt bis auf wenige Ausnahmen dem Archiv des Bremer Domkapitels (und v.a.des Dompropsts), welches das Kirchenwesen im Erzbistum dominierte.
Die allgemeine Überlieferung beginnt in Abschriften und Kopien des 16./17. Jahrhunderts ab 1233, zeitgenössisch ab 1350 (Urbar des Schlosses Stotel Nr. 3826), allerdings enthalten lediglich sieben Verzeichnungseinheiten bis 1400 zeitgenössische Dokumente (Nr. 480, 1007, 1008, 2680, 3826, 3595, 4138). 1405 sind erste zeitgenössische Briefe erhalten (Nr. 2780), doch erst um 1500 beginnt die eigentliche Aktenüberlieferung; der Überlieferungsschwerpunkt liegt zwischen 1580-1648.
Geschichte des Bestandsbildners
Entwicklung bis 1650
Das (Erz-)Bistum Bremen wurde bereits im Jahr 788 gegründet, das Domkapitel konstituierte sich schon kurze Zeit später. Sowohl das Domkapitel in Bremen als auch die erzbischöfliche Kanzlei in Bremervörde unterhielten in späterer Zeit streng voneinander getrennte Registraturen/Archive. Während über die frühe Verwaltung der erzbischöflichen Überlieferung wenig bekannt ist, scheint sich um die Überlieferung des Domkapitels schon im Hochmittelalter der Scholaster gekümmert zu haben (Müller, S. 40). Dabei kann das Archiv des Bremer Domkapitels aufgrund seiner zeitlichen wie örtlichen Beständigkeit sicherlich als das weit umfangreichere Archiv angesehen werden: Immer wieder erfolgten in der Frühen Neuzeit Anfragen seitens des Erzbischofs an das Domkapitel um Auskünfte aus den Stiftsunterlagen. Noch in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts musste Erzbischof Johann Friedrich das Domkapitel daher regelmäßig vergeblich um ein Inventar der Privilegien „unßers Ertzstiffts auß eurem Archivo“ bitten (Nr. 438, Bl. 13r). Auch bezüglich verschiedener Pfandbriefe (z.B. Nr. 699), Verträge/Urkunden (Nr. 4140), klösterlicher Visitationsprotokolle (Nr. 1517, Bl. 4r), des Konfessionszustandes vor 1555 (Restitutionsedikt) (Rep. 464) oder den Rechten verschiedener erzbischöflicher Ämter (Nr. 3917) musste beim Domkapitel seitens des Erzbischofs kontinuierlich angefragt werden. Brände, wie jener von 1604, der die Residenz in Bremervörde vernichtete (Nr. 439), mögen die erzbischöfliche Registratur ebenfalls dezimiert haben – jedenfalls berichtet das Domkapitel dem Erzbischof 1615 hinsichtlich gesuchter Amtsakten, dass diese wohl "bei jungstmahligen Abbrand des Hauses Vöhrde in Verlust gerahten, wie wir solchs in andern Sachen woll erfahren" (Nr. 3917) und noch 1619 weiß das Domkapitel von ausgeliehenen „Sachen“, die beim Brand vernichtet worden seien (Weise, S. 31). Für die Vikarsunterlagen wurde vom Domkapitel bereits 1560 eigens ein großer Archivschrank mit 96 Laden gefertigt (Nr. 3953). Erste größere Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten des Domkapitelarchivs wurden in den 1640er Jahren durch den für das Archiv zuständigen Sekretär Andreas von Mandelsloh durchgeführt.
Die Registratur des Erzbischofs wurde schon in zeitgenössischen Quellen des 16./17. Jahrhunderts bis auf wenige Ausnahmen nie als Archiv bezeichnet (Weise, S. 46). Grund hierfür wird nicht zuletzt der geringe Umfang sowie das geringe Alter der Aktenbestände gewesen sein – weiter als 1570 gingen die meisten Akten schon um 1645 kaum mehr zurück. Aus der Zeit der Erzbischöfe Christoph und Georg (1511-1566) haben sich vermutlich allein schon deshalb nur wenige Akten erhalten, weil beide ihre Residenz meist in Rotenburg hatten. In Bremervörde wurden lediglich einige heimgelassene Räte mit den Verwaltungsaufgaben betreut. Aus der Zeit Erzbischof Heinrichs III. sind bereits deutlich mehr Akten erhalten, doch auch hier scheinen schon zeitgenössische Kassationen stattgefunden zu haben, wie in einem Nachlass des Erzbischofs Heinrich bezeugt ist; so seien im erzbischöflichen Gemach in einer Truhe „nichts den etzliche Brieffe befunden, daran nichts gelegen und derwegen verbrant worden“ (Nr. 498, Bl. 5r). Auch aus dem Nachlass Erzbischof Johann Friedrichs dürften gemäß eines Vertrags mit Kronprinz Friedrich von Dänemark von 1637 einige Akten nach Holstein abgetreten worden sein (Nr. 502, Bl. 23r/v). Zuvor hatte man seine Mätresse Anna Dobbels beschuldigt, Akten entwendet zu haben, "die in fürstl. Verlaßenschafft und des Ertz-Stifts Archiven gehöreten" (Nr. 4174, Bl. 15r). So mögen bei den verschiedenen erzbischöflichen Vakanzen durchaus kleinere Aktenverluste aufgetreten sein.
Während der Unruhen des Dreißigjährigen Krieges wurde des „Erzstiffts Archivum und Cantzley Registratur“, das sich damals in Stade befand, von den Dänen okkupiert und konnte daher vorerst nicht, wie vom Erzbischof geplant, ins sichere Bremen verbracht werden (Nr. 494, Bl. 54v, Nr. 622, Bl. 42r). Erst beim Herannahen der Tilly’schen Truppen wurde schließlich eine Überführung nach Bremen und von dort nach Bremervörde in die Wege geleitet, wo die erzbischöfliche Registratur bis 1643 verblieb. 1644 gelangten die Akten schließlich erneut nach Stade, wo sie kurz darauf vom schwedischen Feldmarschall Hans-Christoph von Königsmarck eingezogen wurden. Er ließ sie in sein „Logiament“ bringen, womit vermutlich das Kloster St. Marien gemeint war (Weise, S. 58).
Nach Ende des Krieges bestanden weiterhin zwei getrennte Altregistraturbestände – jener des Bremer Domkapitels in Bremen und jener der Erzbischöflichen Kanzlei in Stade. Hinzu kamen einige Akten aus der Registratur des ehemaligen erzbischöflichen Stadtvogts in Bremen. Obgleich das Domkapitel von den Schweden bereits am 18. September 1649 offiziell aufgehoben worden war, sperrten sich die Kapitulare noch lange Zeit gegen die Herausgabe der Kapitelakten und ließen heimlich die „vornehmbsten Brieffschaften auß dem Archivo an [die] seithen und auß Bremen wegk[schaffen]“ (Weise, S. 70). Nach weiteren Querelen vor Ort wurde ein Großteil des in Fässern verpackten Kapitelarchivs schließlich dennoch am 4. Mai 1650 nach Stade überführt und mit dem erzbischöflichen Archiv vereinigt (Nr. 656, Bl. 32r-v). Am 10. Mai gelangten nach weiteren Auseinandersetzungen dann die letzten Akten nach Stade: Damit war ein Archivbestand geschaffen worden, der einen Großteil der heutigen Bestände Rep. 1 und Rep. 5b enthielt, 1667 dann jedoch auch mit dem Bestand des Verdener Bistums (heute Rep. 8) vereinigt wurde.
Bestandsgeschichte
Entwicklung nach 1650
Seit 1648 erst handelte es sich bei den Akten des Erzbistums sowie des Domkapitels um Archivgut im klassischen Sinne: Neuzugänge waren nicht mehr zu verzeichnen, Rückgriffe auf die Unterlagen wurden sukzessive seltener. Für diesen Altbestand wurde mit Reinhold Blume von der Schwedischen Regierung im September 1651 ein erster vollberuflicher Archivar eingestellt. Bis zu dessen Zerstörung im Jahr 1712 wurden die Akten dann im Stader Marienkloster verwahrt, anschließend bis 1823 im dortigen Rathaus, schließlich bis 1870 in einem eigenen Gebäude der Regierung. 1869/70 und 1898 gelangte der Bestand des Erzbistums – zusammen mit den weiteren Stader, Hadelner und Verdener Regierungsbeständen – ins Hauptstaatsarchiv nach Hannover. Das Stader Archiv wurde daraufhin wegen Raummangels aufgelöst. Da die erzbischöflichen Akten in Hannover nach jenen der schwedischen Verwaltungszeit eingelagert wurden, erhielt der erzbischöfliche Bestand die noch heute etwas befremdlich anmutende Signatur Celle Br. Dep. 105b - während der zeitlich später entstandene schwedische Bestand unter Dep. 105a verzeichnet wurde. Aufgrund späterer Abgaben der Landdrostei Stade entstand nach 1870 zudem der Bestand Celle Br. Dep. 105bb, welcher seiner Provenienz nach ebenfalls zu Dep. 105b gehörte. Beide Teilbestände überdauerten glücklicherweise sowohl den Archivbrand 1943 als auch das Leinehochwasser 1946 in Hannover relativ unbeschadet, während die Urkunden des Bremer Domkapitels bis zum Jahrgang 1569 verbrannten. Auch das Bestandsfindbuch verbrannte und musste 1945 auf Grundlage der Aktentitel wieder neu erstellt werden.
Bei der Überführung in das neue Staatsarchiv Stade wurden die Bestände Dep. 105b und Dep. 105bb vom Archivdirektor Weise schließlich zum Bestand Rep. 5b zusammengefasst. Die ursprüngliche Signaturergänzung in Fächer und Nummern ließ man nach 2010 durch eine fortlaufende Durchnummerierung ersetzen (Rep. 5b Nr. 1-4219). Durch eine vorhandene Konkordanz im Archiv (Bib. Signatur: GHV III B 1 Nr. 148 (1-2)) oder einer erweiterten Suche in Arcinsys (unter dem Feld "Alte Archivsignatur") lassen sich die alten Signaturen aber nach wie vor jederzeit ermitteln. Während der 2010er/2020er Jahre wurde die Verzeichnung des Bestandes, die bis dahin noch auf das 19. Jahrhundert zurückging, modernisiert und dem aktuellen Schrift- und Sprachgebrauch angepasst. Nr. 2772 bis Nr. 4219 sind vom Unterzeichner überdies 2023 tiefenerschlossen worden.
Dr. Malte de Vries, 01.08.2023
_
Literatur
(Auswahl):
Dannenberg, Hans-Eckhard; Schulze, Heinz-Joachim (Hrsg.): Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser, Band 3: Neuzeit, Stade 2008.
Dannenberg, Hans-Eckhard; Otte, Hans (Hrsg.): Die Reformation im Elbe-Weser-Raum: Voraussetzungen, Verlauf, Veränderungen, Stade 2018.
Drecoll, Henning: Schwedische Kriminalpolitik im Herzogtum Bremen-Verden von 1648 - 1712, Marburg 1975. (Insbesondere der erste Teil befasst sich ausschließlich mit der erzbischöflichen Zeit)
Hodenberg, Wilhelm von: Die Diöcese Bremen und deren Gaue in Sachsen und Friesland: nebst einer Diöcesan- und einer Gaukarte, 1858.
Mindermann, Arend: Die Landtagsabschiede des Erzstifts Bremen und des Hochstifts Verden, Hannover 2008.
Müller, Adalbert: Das Bremische Domkapitel im Mittelalter, Greifswald 1908.
Kühtmann, Alfred: Geschichte der bremischen Stadtvogtei, Breslau 1900.
Schleif, Karl H.: Regierung und Verwaltung des Erzstifts Bremen am Beginn der Neuzeit (1500-1645). Eine Studie zum Wesen der modernen Staatlichkeit, Hamburg 1972.
Schwarzwälder, Herbert: Bremen im 17. Jahrhundert. Glanz und Elend einer Hansestadt, Bremen 1996.
Findmittel
Weise, Erich: Geschichte des Niedersächsischen Staatsarchivs in Stade nebst Übersicht seiner Bestände, Göttingen 1964 (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung 18).
Repertorium des erzbischöflich Bremenschen und Capitular-Archivs, masch., 2 Bde., Hannover 1945.
Siehe
Korrespondierende Archivalien
Rep. 1 - Urkunden des Erzstifts Bremen
Rep. 3 - Urkunden der Klöster und Stifte
Rep. 6 - Niedersächsische Kreisakten von Bremen-Verden
Rep. 27 - Reichskammergericht
Rep. 74 - Ämterakten
Rep. 76 - Geld- und Kornregister der Ämter
Dep. 10 - Stader Geschichts- und Heimatverein
Informationen / Notizen
Zusatzinformationen
teilweise verzeichnet
Abgeschlossen: Nein